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Immer mehr Unternehmen wollen weniger Miete für ihre Filialen zahlen
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31.03.2020

Immer mehr Unternehmen wollen weniger Miete für ihre Filialen zahlen

Nach Adidas und Deichmann kündigen weitere Firmen an, weniger oder keine Miete zahlen zu wollen. Viele Vermieter dürften dadurch in Existenznot geraten.

Handelsblatt, 31.3.2020:

München, Düsseldorf. Siemens-Chef Joe Kaeser ist ein Mann klarer Worte. „Wir werden unsere Lieferanten bezahlen und erwarten von unseren Kunden auch, dass sie uns bezahlen“, schrieb er am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter. Und fügte hinzu: Man werde sich im Fall, dass eine der beteiligten Seiten Probleme habe, „zusammensetzen und sehen, was wir tun können“.

Kaeser reagiert damit indirekt auf die Vorstöße von Adidas, Puma, Deichmann und anderen Unternehmen, die angekündigt hatten, in der Coronakrise keine oder geringere Mieten für ihre Ladenlokale zu zahlen, die sie für unbestimmte Zeit schließen mussten. Das hatte am Wochenende zu heftigen Protesten und insbesondere zu einem Shitstorm mit Boykottaufrufen gegen Adidas geführt, dem sich auch prominente Politiker anschlossen.

Der Bundestag hatte vor Kurzem ein Gesetz verabschiedet, das Mieter drei Monate davor schützt, wegen Zahlungsrückständen infolge der Pandemie gekündigt zu werden. Aber das gelte nur für Mieter, die wegen der Coronakrise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten gerieten, stellte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht klar. Ansonsten gelte: „Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen.“

Davon wenig beeindruckt versuchen weitere Unternehmen, die Mieten für ihre geschlossenen Ladenlokale zu kürzen. Jetzt schaltet sich auch die sonst sehr verschwiegene Familie Brenninkmeijer in die Diskussion um Mietkürzungen im Einzelhandel ein.

Für jedes Geschäft im Filialnetz von C&A erwartet C&A während der von der WHO angekündigten offiziellen Dauer der Covid-19-Pandemie von seinen Vermietern eine Reduzierung der Miete und anderer Nutzungsgebühren“, schreibt Eric Brenninkmeijer, der neue Deutschlandchef der Textilkette, in einem Brief, der dem Handelsblatt vorliegt, an den Vermieter eines Ladenlokals von C&A. Und er betont in dem Schreiben, dass er eine „Reaktion innerhalb der nächsten fünf Werktage“ erwartet.

Bei der Mietkürzung während der Coronakrise will es C&A aber nicht belassen. Für den Zeitraum nach der Pandemie erwarte der Konzern „von seinen Vermietern weitere Mietanpassungen und andere relevante Unterstützung, wenn C&A seine Geschäftstätigkeit wieder aufnimmt und zur Normalität zurückkehrt“, schreibt Brenninkmeijer an den Vermieter. Der Düsseldorfer Textilriese betreibt in Europa 1300 Filialen, die alle schließen mussten.

Ein C-&-A-Sprecher bemühte sich auf Nachfrage, den forschen Ton des Schreibens abzumildern. „Wir setzen dabei auf Einsicht, Realitätssinn und den Willen, gemeinsam ein für alle Seiten akzeptables Ergebnis zu erzielen“, sagte er.

Viele Einzelhändler wollen Miete nicht zahlen
Auch Europas größter Schuhhändler Deichmann, der dafür kämpft, dass die Mieten für seine 1500 deutschen Ladenlokale gestundet werden, zeigt sich inzwischen milder. „Wir haben kein Interesse daran und werden verhindern, dass Vermieter dadurch in eine Notlage kommen“, teilte das Unternehmen mit. „Sollte sich dies in einzelnen Fällen abzeichnen, würden wir unser Möglichstes tun, um zu helfen.“

Es sind bei Weitem nicht nur Deichmann, C&A, Adidas & Co., die keine Miete mehr zahlen wollen. Auf Eckhard Brockhoffs Schreibtisch stapeln sich die Schreiben von Filialisten, die ankündigen, ihre Zahlungen einzustellen. Der Unternehmer aus Essen sieht sich als größter regionaler Gewerbemakler Deutschlands. Bekannte Namen hätten sich an ihn gewandt, berichtet Brockhoff, Konzerne wie Bijou Brigitte, die Parfümerie Pieper, Ernsting‘s Family, Kind Hörgeräte, NKD oder Thalia. Gerry Weber wolle sogar die Miete für März erstattet bekommen. Viele Firmen wollten gleich bis Dezember nichts oder deutlich weniger bezahlen.

Mietkürzung rechtmäßig
Der Makler befürchtet, dass viele Vermieter in Existenznot geraten. Denn in Klein- und Mittelstädten seien es eben keine Immobilienfonds oder Versicherungen, sondern vor allem Privatleute, die vermieten würden. „Je kleiner die Stadt oder Gemeinde, desto größer der Anteil an Privateigentümern.“

Rechtsanwalt Jörg Wacker von der Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei Ganteführer, spezialisiert auf Mietrecht, hält die Maßnahmen der Händler zumindest rechtlich für einwandfrei. Die Schließung der Geschäftsräume sei aufgrund behördlicher Anordnungen erfolgt. In solchen Krisensituationen erlaube das Bürgerliche Gesetzbuch, geschlossene Verträge anzupassen.

Der Jurist zieht Parallelen zwischen der Coronapandemie und kriegerischen Auseinandersetzungen. In Deutschland habe ein Gericht 1915 entschieden, dass der Mieter eines Tanzlokals, das die Polizeibehörden wegen des Kriegsausbruchs geschlossen hatten, seine Mietzahlungen an den Vermieter um mehr als die Hälfte kürzen durfte. Nichts anderes dürfte auch heute gelten.

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